Gorgona, die letzte noch in Betrieb befindliche Gefängnisinsel Europas! Allein der Begriff „Gefängnisinsel“ lässt die Gedanken verrückt spielen. Filme über Alcatraz oder die Teufelsinsel, auf der „Papillon“ spielt, kommen einem in den Sinn. Doch Gorgona ist real – mit echten Gefangenen, echten Polizisten, aber auch mit einem kleinen, feinem Weinbaugebiet, auf dem unter der Leitung von Frescobaldi ein hervorragender Weißwein angebaut wird, den wir ihm Rahmen einer Pressereise kennenlernen sollten.
Zu Besuch bei den Marchesi di Frescobaldi
Den Anfang nahm diese besondere Weinreise am Stammsitz der Marchesi di Frescobaldi, der Tenuta Castiglioni, wo vor fast 700 Jahren die Geschichte der Familie Frescobaldi und damit auch die Geschichte des Weinbaus begann. Hier erstreckte sich das erste Weingut entlang der alten Römerstrasse Via die Castiglioni und hier, beim Aperitif im Garten der historischen Familien-Villa, atmet man den Hauch der Geschichte eines Adelsgeschlechts, das auf das Jahr 1300 (!) zurückgeht.
Marchese Leonardo Frescobaldi, seines Zeichens Abkömmling dieser erlauchten Aristokraten, gab bei Tisch viele Anekdoten über die Geschichte seiner Familie zum besten. Das Resultat all der Jahrhunderte langen Erfahrung gipfelt in dem Wein, der genau an dieser Stelle an- und ausgebaut wird, dem Giramonte.
Ein prächtiger, komplexer Roter, der wunderbare Noten von Früchten wie Brombeere und Pflaume mit Anklängen von Vanille besitzt mit einem extrem langen Abgang. Ein perfekter Begleiter zu dem toskanischen Essen, das auf den Tisch kam. Viel zu schnell ging der Abend zu Ende, aber für uns wurde es Zeit aufzubrechen, stand doch am nächsten Tag der Besuch einer weiteren Tenuta des Hauses, der Tenuta Perano auf dem Programm, mitten im Chianti Classico.
Wer die Straßen und Kurven dort kennt, weiß, dass man sich nicht allzu angeschlagen vom Vortag auf den Weg machen sollte. Nach endlos vielen Kehren und noch mehr Schlaglöchern erreichten wir schließlich das Weingut, dessen Lage in einem quasi natürlichen Amphitheater das optimale Klima und Terroir für die typische Sangiovese-Traube bildet.
Davon konnten wir uns auch gleich selbst in den kühlen Kellern der Tenuta bei einer Fassweinprobe überzeugen. Obwohl noch nicht ganz ausgereift, konnte man schon die besondere Frucht des Perano-Weines schmecken, das den Chianti Classico der Kellerei auszeichnet.
Ein eleganter Rotwein mit einer schönen Tanninstruktur, die sich mit längerer Lagerung sicher noch verfeinert. Noch ein kleines Mittagessen und weiter ging es nach Livorno, von wo aus wir am nächsten Tag nach Gorgona übersetzen sollten.
Viele kennen Livorno nur als hässliche Hafenstadt, aber wer wie wir einmal eine Bootsfahrt durch die Kanäle der Stadt gemacht hat, weiß um ihre Schönheit. Auch kulinarisch bietet sie so einiges. Hier wurde der Caciucco, eine weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Fischsuppe, erfunden. Muss man probiert haben!
Auf zur Insel der Gefangenen!
Doch schon am nächsten Morgen drehte sich jedes Gespräch nur noch um Gorgona. Wie wird es dort sein? Wie werden die Gefangenen auf uns reagieren? Wird man sich selbst gefangen fühlen? Nach ein stürmischen Überfahrt tauchte sie schließlich am Horizont auf – die letzte Gefängnisinsel Europas.
Hoch und steil ragen die Felsen auf, am Hafen klammern sich bunt gestrichene Häuser an den Hang, ein Bild wie aus dem Reiseprospekt.
Noch sah man keine Polizei und die in Gedanken ausgemalten Schwerverbrecher waren auch nirgends zu entdecken. Dafür sah man am Hang über dem Dorf bereits die ersten Rebstöcke leuchten – dorthin sollte auch unsere erste Wanderung gehen.
Knapp zwei Hektar sind es, die in mühevoller Handarbeit von den Gefängnisinsassen gehegt und gepflegt werden. Frescobaldi zahlt ihnen dafür einen Lohn, der sich nicht von den Angestellten am Festland unterscheidet. Hier lernen ehemalige Räuber und Erpresser ein ehrliches Handwerk, das sie nach ihrer Entlassung auch noch ausüben können. So beträgt auch die Rückfall-Quote der Gorgona-Insassen nur maximale 10%, während diese in anderen Gefängnissen meist über 70% liegt.
Frescobaldi + Gorgona = grandioser Wein
Dieser soziale Aspekt ist das Entscheidende für Marchese Frescobaldi bei dem Projekt, nicht die außergewöhnliche Lage des Weinbergs, obwohl gesagt werden muss, dass diese einen wirklich exzellenten Wein hervorbringt, auf den sowohl Frescobaldi als auch die Gefangenen stolz sein können. Wo sonst außer in Italien ist so eine perfekte Symbiose aus sozialem Engagement und Genuss, aus Geschäftssinn und gesellschaftlicher Verantwortung denkbar? Complimenti, Marchese!